Die tausend Stufen zu den Inkaruinen

Nach vielen Kilometern in der Luft und auf den Rädern, zelebrierten wir unseren erneuten Zusammenschluss im heissen Surferdörfchen Mancora. Mit vielen Geschichten und Erkenntnissen auf Lager, verstrichen die Tage am Strand und in unserem kleinen Bungalow-Zuhause wieder mal in aller Eile und schon mussten wir uns wieder von Jasmine verabschieden. Es zog sie mit kleinem Zwischenstopp in Cusco zu ihrer zweiten Heimat, Bolivien, wo wir sie aber schon bald wieder treffen sollten und sie uns in die farbenfrohe Welt der hütetragender Frauen und den tausend Röcken einführen sollte. Doch das ist die Geschichte des nächsten Beitrages, also kommen wir zurück nach Peru. Das Küstenstädtchen bescherte uns teilweise Temperaturen um die 50 Grad, so das wir wieder fröhlich vor uns hinschwitzten und die salzhaltige Meeresluft gierig einatmeten. Roger und ich genossen das allersüsseste Nichtstun im Ort und natürlich unsere wiedergewonnene Zweisamkeit sehr, obwohl wir Jasi schon bald vermissten. Trotz verschobenem Rückflug drängte es uns bald weiter nach Cusco, der wunderschönen Stadt und Ausgangspunkt zu allen möglichen Routen zum sagenumwobenen Machu Picchu. Eigentlich hätten wir noch so viele andere coole Sachen in Peru machen können und die Entscheidung fiel wirklich sehr schwer, aber einen Machu Picchu stellt so schnell nichts in den Schatten, also kam was kommen musste: wir siegen mal wieder in einen Bus, zuerst nach Lima, dann nach Cusco, gute 45 Stunden später kletterten wir müde aus dem Luxusliner, der uns mit Entertainmentsystem à la Flugzeug inklusive Steward und warmen Mahlzeiten königlich verfrachtete. Nicht ohne Grund hatten wir die wohl teuerste Transportgesellschaft in Peru gewählt, Gerüchte, Geschichten und viele Erfahrungsberichte anderer Reisender lassen einem schnell die Finger von den verlockenden Billiggesellschaften nehmen. Vor allem Trunkenheit am Steuer,
nur ein Fahrer während Reisen über 20 Stunden – ohne Pause wohlbemerkt – Raubüberfälle und so weiter war das Resultat der Nachforschungen. Bis auf eine Verzögerung wegen eines Erdrutsches auf der kleinen Passstrasse hoch nach Cusco, hatten wir zum Glück absolut keine Probleme.

In Cusco war es erstaunlich kalt und es war hoch, wir hatten bald Probleme mit der Höhe, da der rasante Sprung von Meereshöhe auf etwa 3400 m.ü.M uns schlapp machte und meistens einen widerlichen Kofpschmerz aufblitzen liess. Sprechen wir erst mal gar nicht davon, dass Cusco in einem seichten Kessel liegt und man somit ständig hoch und runter krabbelt. Ich dachte schon all meine Kondition sei von Heute auf Morgen verflogen, schrecklich! Glücklicherweise trafen wir meinen zweit liebsten Wuschelkopf (Jasmine) noch ganz kurz in der Stadt an und so zeigte sie uns die ersten Ecken und gab allerlei Tipps. Bald sassen wir vor einer Treckingagentur und buchten das nächste Abenteuer, welches sich mit dem Namen Salkantay Treck schön bezeichnen lässt. Ziel war es, nach 5 Tagen voller Laufen an Rogers Geburtstag den Machu Picchu zu besteigen und die magische Ruinenstätte zu erkunden. Bevor es aber losging, kämpften wir weiterhin mit den kühlen Temperaturen und der Höhe, durchliefen das sympathische Städtchen und wurden mit etlichen traditionellen Tänzen, Gewändern und gutgelaunter Leuten belohnt. Es ging langsam auf die Sonnenwende zu und deshalb übten sich die Peruaner schon mal fleissig im Feiern, was sich vor allem mit ihrer Sucht an Knallkörpern und Feuerwerk bemerkbar machte. Besonders die Frauen und Kinder mit den bunten Tüchern auf dem Rücken und Lämmchen auf den Armen hatten es mir angetan, bei den Bildern immer nur von weiter entfernt zu erkennen, denn Cusco ist natürlich auch eine Touristenhochburg, und wenn man die Lämmchen samt Mädchen fotografieren will, zahlt man.

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Um den Treck zu starten, standen wir gegen 3 Uhr morgens auf, da der komische Typ am Vorabend (darf ich vorstellen, unser Guide) meinte, sie kommen uns um halb 4 Uhr abholen. Wir schlotterten schon fast 2 Stunden im Innenhof unseres Hostels als endlich Guide Nummer 2 kam und sich netterweise, dennoch ohne Hüftschwung, als Elvis vorstellte. Er führte uns durch die dunklen Gassen Cuscos zu einem wartenden und bereits vollgestopften Kleinbus wo mein leises Guten-Morgen-Gemurmel widerhalte und sich unsere „Treck-Gspändli“ wohlig im anonymen schwarz des Busses versteckten. Wir alle schliefen noch ein wenig bis wir das Dorf Mollepata erreichten, frühstückten, die Leute langsam kennenlernten, etwas Gepäck an die Pferde und Esel abgaben und erstmals versuchten die Kunst des Coca-Kauens zu praktizieren. Insgesamt waren wir 17 Leute, ein wilder Haufen aus Iren, Deutschen, Amerikanern, Franzosen, Brasilianern und Schweizern und wie so oft bei solchen Trecks, sollte uns die Meute bald ans Herz wachsen. Wir stiefelten also endlich los, durchquerten grüne Hochplateaus und staunten jedes Mal wenn der Blick vom steinigen Boden über das sanfte Tal schwelgte und der Kontrast zwischen imposanten Bergbrocken und blühenden Blumen ersichtlich wurde. Die Landschaft war wirklich wunderschön und unsere Guides gaben etliche Erklärungen zur hiesigen Flora und Fauna wieder, wir entdeckten wilden Pfefferminz, welcher hier Munja heisst und mit seinen winzigen weissen Blüten einen herrlichen Duft verbreitete. Die Sonne prallte runter, liess uns mit jedem Aufstieg mehr schwitzen sorgte aber auch für die guten und tollen Gespräche, die sich bald einsellten. Kurz vor dem Mittagsrast stellte sich unser heutiger Nachbar vor: ein riesiger Gletscher zog sich eine Steilwand herunter und sah uns von Weitem zu wie wir immer näher herankrochen. Die Landschaft wandelte sich zusehens, wurde steiniger, alpiner, das Weiss des Schnees schimmerte hoch oben neben dem eisigen Gletscher und wie schon im Vorfeld erfahren, kroch die Kälte immer näher. So sollte es eigentlich nicht verwundern, dass die erste Nacht im Zelt bitter, bitter, bitter kalt war. Doch die Kälte und die Höhe hatten auch etwas Gutes: einen Sternenhimmel so glasklar wie man ihn nur selten bestaunen kann, zeigte sich voller funkelnder Diamanten und liess zumindest für ein paar Minuten die Kälte vergessen.

Fast jeden Morgen hiess es früh aufstehen, gemeinsam frühstücken und dann los! Am zweiten Tag ging es erstmals einige Stunden hoch, weiter hoch und noch weiter hoch, bis wir auf 4700 m.ü.M waren, gierig nach Luft schnappten und den übersäuerten Muskeln endlich etwas Ruhe gönnten. Die Aussicht war atemberaubend und durch den harten Aufstieg genossen wir es umsomehr, schossen Fotos wie die Blöden und fielen uns teilweise schon fast in die Arme aus lauter Dankbarkeit es geschafft zu haben. Doch was danach kam war für mich noch um einiges schlimmer als der Aufstieg: der

Abstieg. Bähhh, wie kann man so was nur mögen, ich versteh’s nicht? Beim Hochlaufen spürt man zumindest was man macht, beim Runterlaufen schmerzt einfach nur alles, ohne dass man sich sonderlich anstrengen muss. Mein Hauptproblem waren die teilweise steilen Geröllstrassen, die einerseits in die Knie gingen und andernseits  deine volle Aufmerksamkeit forderten. Immerhin konnte mich die langsam tropisch angehauchte Umgebung mit reissenden Flüssen und umringenden Dschungel etwas ablenken, bis wir endlich unser Camp erreichten. Der dritte Lauftag war hingegen ziemlich angenehm, führte uns durch das Dschungelgebiet mit seinen immer wärmer werdenden Temperaturen, immer satter schimmernden Grünnuancen und auch mit den angebauten Avocados, Kaffee, Passionsfrüchten, Bananen und noch einigem mehr. Den letzten Teil bis zum Ort Santa Teresa legten wir per Bus zurück und mussten uns dann von 6 Leuten aus unserer Gruppe verabschieden, da sie eine verkürzte Variante wählten. Der Rest von uns genoss dafür etwas was man nach 3 Tagen voller Schweiss, Kälte, Hitze, Staub und vielen Kilometern in den Beinen nur mit einem langgezogenen Stöhnen würdigen kann: die heissen Quellen! Ahhhh, eine Wohltat! Als wir dann mal wieder duschen konnten, war das Glück perfekt und die Stimmung zu einer Feier unumstösslich. Beim Camp wurde ein Lagerfeuer entflammt und dank Pisco, Rum und sonstigem Teufelszeug wurden die Beine mal nicht zum Laufen verwendet und die Gespräche immer intimer.

Der vierte Tag gefiel unserem Guide dann gar nicht, Grund dafür war das diese blöden, wanderfanatischen Touristen einfach wirklich jede bescheuerte Strasse entlang laufen wollen, buhuhuhu. Er war wie ein kleines Kind an diesem Tag, lief trotzig hinter den beiden Amerikanern Michael und Diana und Roger und mir her – wir waren die einzigen die nicht Ziplinen wollten – manchmal malte ich mir aus, wie er störrisch kleine Steinchen vor sich hin kickte und eine graue Wolke voller Blitzen und Ausrufezeichen seinem Kopf entströmte. Wir liessen uns aber nicht irritieren, genossen die Landschaft und Gesellschaft, quatschten viel und erreichten so bald Hydro Electrica, wo wir den Rest der Gruppe wiedertrafen und die letzte offizielle Laufetappe vor dem Machu Picchu in Angriff nahmen. Die Strecke führte den Bahnschienen entlang, eingerahmt von grünen Wäldern und weissen Flüssen, hoch oben über unseren Köpfen konnten wir den Sonnentempel vom Machu Picchu ausmachen und auf den Gleisen sah man nebst etlichen Wanderern müde Hunde schlafen. Machu Picchu erreicht man hauptsächlich via Aguas Caliente, also stellt euch mal vor wo sich alle treffen, um DAS touristische Ziel in Peru zu besuchen. Nein es erstaunt nicht, dass das Dorf aus allen Nähten zu platzen scheint und man seine Tradition erst in versteckten Ecken mit realistischen Augen sieht, dennoch waren wir alle so glücklich, dass wir uns nicht stören liessen und uns auf den morgigen Tag vorbereiteten.

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Es war also soweit, Roger konnte seinen Geburtstag feiern und wir begaben unsvor allem auch deshalb auf den Weg zum Machu Picchu. Unsere Köpfe liessen es nicht zu, jetzt den Bus hoch zu den Ruinen zu nehmen, deshalb trafen wir uns mit dem harten Kern unserer Gruppe morgens um halb 5 Uhr mit Taschenlampen auf den Köpfen und Bananen in den von Handschuhen umwobenen Händen und liefen los. Der Aufstieg war sauanstrengend, keine Ahnung wie viele Hundert Stufen es hochgeht bis zum Eingang, doch es sind viele, steile, unterschiedlich hohe und mühsame Tritte die man auf sich nimmt. Mit dem langsam aufglimmenden Morgenlicht hörte man das Schnauben der Massen, das Stampfen der Wanderschuhe auf die alten Treppen und selten ein Gespräch. Als wir oben ankamen, war es milchig hell, wir waren pflotschnass und überglücklich. Alle wieder vereint, pflanzten wir Kerzen auf Kuchen und überraschten den müden Roger mit einem Happy Birthday, Schoko- und Zitronenkuchen und auch dem nötigen Zucker für die nächsten Stunden. Noch in der Reihe zum Eingang anstehend schoben wir gabelweise das süsse Zeug wie die Wahnsinnigen in uns rein und sorgten für etwas Abwechslung im Bild der ungeduldig Wartenden. Beim Eintreten ins mystische Gebiet sorgten vorbeiziehende Nebelschwanden für zusätzlichen Effeck, nebem dem langsam heller werdenden sanften Licht und dem grossen Gebiet voller alter Steinen, die sich uns auftaten. Es war wirklich ein schöner Moment um diese Ruinen zu betreten und die Schönheit davon konnte man bald in der Rafinesse der Steinanrodnung erkennen. Unser Guide lieferte uns die Informationen und wir wurden langsam verzaubert von der Geschichte eines Volkes, von den
Mythen einer Zeit und der Schönheit einer Gegend. Einige Stunden streiften wir durch die Ruinen, die irgendwie auf den Bildern immer viel kleiner aussehen, als wenn man plözulich davor steht, bis wir uns an eines weiteren Tickets erinnerten, welches wir im Vorfeld gekauft hatten: Machu Picchu Mountain. Ich weiss nicht wie es euch beim Wort „Mountain“ geht, bei mir war es so, dass ich es nicht zur Kenntniss nahm. Mountain hier in dieser Höhe bedeutet, dass man weitere Hunderte von Stufen hochklettert, um fast 1000 Meter über der Ruinenstätte zu stehen und den Wolken beim Tanzen zuzusehen. Wirklich, nach diesem Tag hatte ich die Nase für lange Zeit voll von Stufen, ich konnte sie förmlich nicht mehr sehen und musste Schreianfälle unterdrücken, falls sie sich doch in mein Gesichtsfeld schlichen. Keine Ahnung was anstrengender war, die zum Machu Picchu hoch oder die zum Mountain hoch? Auf jeden Fall hatten wir auch diese Stufen bezwungen und spürten den kühlen, frischen Wind in den verklebten Haaren und eine winzige Ruine, welche mir vor einer Stunde noch gross erschienen war. Bis nach Aguas Caliente konnte man runterschauen und sich mit seiner aufsteigenden Höhenangst beschäftigen. Wieder zurück erkundeten wir weiter, trafen einen Chinchilla an und natürlich einige hierlebende Lamas, bis der Regen langsam herankroch und die Müdigkeit uns aufsuchte. Im Dorf hiess es dann den Zug zu nehmen, welcher mich mit seiner Wärme gnadenlos niederknallte und somit die Rückfahrt nach Cusco verkürzte. Gegen halb 1 Uhr morgens trafen wir in der Stadt ein und feierten Rogers Geburtstag mit einem Mitternachtssnack auf dem Plaza del Armas nach. Was für ein Ausflug!

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